Montag, 28. September 2009
EXPOSÈ
felix_bey, 20:08h
„Tarlabaşı’nda Yaşam“-
Fotografien der Kinder in Tarlabaşı
Der Ort
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Beyoğlu-Tarlabaşı ist ein bekannter Stadtteil Istanbuls, für viele auch das Herz von Istanbul; der Kulturhauptstadt für 2010.
Tarlabaşı ist ein Stadtteil in dem Menschen verschiedener Kulturen nebeneinander und miteinander leben. Ein Großteil der BewohnerInnen sind „BinnenmigrantInnen“ aus unterschiedlichen Regionen der Türkei, dazu zählen Türkische, Kurdische, Roma, syrische MigrantInnen, aber auch zahlreiche, meist illegalisierte MigrantInnen aus verschiedenen Ländern Afrikas. Dazu zeigt sich ein vielfältiges Bild an religiösen Gruppen: Sunniten, Christen, Aleviten u.a.. MindestlöhnerInnen, StraßenverkäuferInnen aus dem nahe gelegenen Taksim, Transvestiten und Prostituierte, Straßenkinder, die Reihe der Beschreibungen der Menschen in Tarlabaşı ist lang. Die Einwanderung in die Millionenstadt Istanbul ist noch lange nicht zu Ende, und die politische und ökonomische Situation des Landes bringt viele Menschen dazu sich in Tarlabaşı niederzulassen.
Der Treffpunkt
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Das TTM (Tarlabaşı Toplum Merkezi) ist ein soziales Zentrum in Tarlabaşı. Es wurde gegründet, um die BewohnerInnen mit Migrationshintergrund bei dem Integrationsprozess in eine Großstadt wie Istanbul und bei den mit der Migration einhergehenden Schwierigkeiten unterstützend zu begleiten. Gegründet wurde das Zentrum als ein Projekt der Bilgi-Universität in Istanbul und bekam zeitweilige finanzielle Unterstützung aus EU-Geldern.
Im Zentrum wird vor allem mit Frauen und Kindern gearbeitet, die von Migration und großer Armut betroffen sind. Ein Ansatz des Zentrums ist es, die Betroffenen zu unterstützen, sich selbst entwickeln zu können. Ein wichtiger Teil der Arbeit ist hierbei das Kunstatelier.
Im Atelier wird seit 2006 künstlerisch unter Anleitung von Ulaş Cibuk. gearbeitet. Ulaş hat selber bildende Kunst und Pädagogik in Diyarbakır studiert und ist derzeit Student an der Beykent- Universität in Istanbul.
In diesem Rahmen sind auch die „Fotografien der Kinder in Tarlabaşı“ entstanden.
„Tarlabaşı´nda Yaşam“ - „Mein Leben in Tarlabaşı"
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Die Entstehung der Fotografien oder wie alles anfing…
Erstmalig wurden die Bilder in Istanbul ausgestellt. Hierzu schreibt Ulaş Çibuk:
„Mit Wegwerf- Kameras und kurzer Einführung in das Fotografieren ausgestattet, zogen die Kinder Anfang des Sommers 2007 los. Als Arbeitsthema galt „Tarlabaşı´nda Yaşam“- „Mein Leben in Tarlabaşı“. Das Thema sollte den Kindern als Anhaltspunkt dienen, ihren Lebensraum, von der häuslichen Umgebung und Spielorten bis zur Schule, durch das Objektiv der Kamera hindurch zu betrachten und festzuhalten.
Mit großer Vorfreude und Spannung erwarteten wir nach getaner Arbeit die ersten Abzüge der entstandenen Fotografien. Ein Jahr sollte es schließlich dauern, bis die nötige finanzielle Unterstützung gefunden war, die Entwicklung der Fotos in die Tat umzusetzen.
Als wir die Abzüge in den Händen hielten, war den Kindern und mir sehr schnell klar, dass es uns allen ein großes Bedürfnis ist, mit diesen Fotografien eine Ausstellung zu gestalten. Eine Auswahl aus den über eintausend Fotografien zu finden war nicht einfach. Schließlich einigten wir uns auf eine Auswahl von 45 Bildern.
Als Erwachsener sagt man so oft „Wäre ich doch bloß wieder ein Kind“, - ein Beweis für diese innere Sehnsucht sind jene Bilder. Dieser Gedanke kam mir, als ich sah, mit welcher Ruhe und welcher Selbstsicherheit die Kinder sich in ihrer Arbeit verstanden.
Wie ein Poet mit dem Stift zu Schreiben versteht, so scheinen die Kinder mit der Kamera es zu verstehen, ihre Umgebung einzufangen, zu Papier zu bringen. So entstanden Bilder voll Kraft und Humor, andere wiederum nachdenklich stimmend und ernst.“
Die KünstlerInnen
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„Ich habe diese Fotos im Jahr 2007 gemacht. Man gab uns [damals] spezielle Fotokameras. Mit diesen Kameras haben wir alles was schön war, was uns auffiel fotografiert. Mir kam dann eine Idee und das habe ich dann auch gemacht. Die Idee sollte eine Sache sein, die uns, also jedem auffallen könnte- so eine Idee kam mir dann [auch]. Von unserem hinteren Balkon kann man ein niedergebranntes Haus sehen und dieses Haus habe ich fotografiert. Jetzt wird dieses Foto an einem besonderen Ort ausgestellt. Und jetzt bin ich glücklich und [denke] gut, dass ich das Foto gemacht habe“. [T.G]
„Als ich die Fotos machte, wollte ich das meine Freunde Taso-chip spielen und sie konnten mir diesen Wunsch nicht abschlagen, und ich habe während sie spielten Fotos von ihnen gemacht die dann ausgestellt wurden. Dass die Fotos ausgestellt wurden, hat mich sehr gefreut. Als meine Freunde das hörten, haben auch sie sich sehr gefreut.“ [E.G.]
„Als ich das Foto machte, dachte ich es würde schön werden, aber es wurde nicht schon, da auf dem Boden Müll liegt. Auf dem Foto ist neben unserem Haus ein Trödler [zu sehen], und der Sohn unseres Nachbars. Auch die Tochter der Nachbarn meiner Mutter sieht man. Es ist schön, dass [die Fotografien] ausgestellt wurden.“ [M.A.]
Die Ausstellung in Deutschland
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Das Projekt „Fotografien der Kinder in Tarlabaşı“ als ein Teil der kreativen Arbeit des Ateliers wird nun von Ulaş Cibuk nach Deutschland begleitet. Ausstellungsorte sind Berlin und Münster.
Die 45 Fotografien sollen zum einen den Kindern und damit den KünstlerInnen die Möglichkeit geben, „ihr“ Tarlabaşı zu zeigen. Bilder, die sicher anders sind, als die der FotografInnen und JournalistInnen, die Tarlabaşı in die Schlagzeilen bringen. Zum anderen bieten sie für Kinder und Erwachsene hier in Deutschland Einblicke in den Lebensalltag und zeigen die Blickwinkel der Kinder. Ähnlichkeiten und Unterschiede werden sich auftun. Wir freuen uns auf ein gemeinsames Erleben der eindrücklichen Bilder und sind gespannt auf anregende Diskussionen.
Ganz besonderes danken möchten wir den Künstlern selber und denen die es ermöglicht haben, die Ausstellung in Deutschland zu platzieren.
Tarlabaşı heute
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In direkter Nachbarschaft des modernen Stadtzentrums Beyoğlu gelegen ist Tarlabaşı ein „Schandfleck auf der weißen Weste“ der Metropole am Bosporus. Die BewohnerInnen leben in dauerhafter materieller, sozialer, gesundheitlicher und kultureller Unterversorgung. Kriminalität grassiert. Das Viertel steht unter ständiger Polizeiüberwachung.
Die Reaktion der Stadtverwaltung ist ein Programm zur Stadtteilerneuerung, das „Tarlabaşı Yenileniyor Projesi“. Kritiker meinen aber, dass das Programm weniger die Lebensbedingungen der jetzigen BewohnerInnen verbessern, als diese vielmehr aus dem Stadtzentrum verdrängen wird. So wird Platz geschaffen für neue, wohlhabendere Bewohnerschichten und der Schandfleck
Tarlabaşı scheinbar getilgt.
Die Brücke nach Berlin
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Zur Diskussion um Gentrifizierungsprozesse in Berlin kann das Beispiel Tarlabaşı einiges beitragen. Zum einen verdeutlicht es, dass Gentrifizierung kein Problem allein der reichen, westlichen Länder ist, sondern gerade in stärker klassendifferenzierten Gesellschaften eine noch viel größere Gefahr für den sozialen Zusammenhalt darstellt. Es zeigt aber auch, wie das Extrem einer Stadterneuerungs-politik aussieht, die wesentlich auf Ausgrenzung derjenigen beruht, die nicht die materiellen Ressourcen besitzen, dem Tempo der Modernisierung Schritt zu halten. Ebenso kann es uns als Negativfolie dienen, um die Entwicklungen in unserer Nachbarschaft zu bewerten.
Wie inklusiv gestalten wir die Entwicklung unserer Stadt?
Ist Fortschritt nur für die möglich, die es sich leisten können?
Wie könnte eine Idee der inklusiven Stadtentwicklung aussehen, die alle BewohnerInnen, unabhängig ihres sozialen Status, einschließt?
Wir freuen uns auf Euren und Ihren Besuch.
Fotografien der Kinder in Tarlabaşı
Der Ort
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Beyoğlu-Tarlabaşı ist ein bekannter Stadtteil Istanbuls, für viele auch das Herz von Istanbul; der Kulturhauptstadt für 2010.
Tarlabaşı ist ein Stadtteil in dem Menschen verschiedener Kulturen nebeneinander und miteinander leben. Ein Großteil der BewohnerInnen sind „BinnenmigrantInnen“ aus unterschiedlichen Regionen der Türkei, dazu zählen Türkische, Kurdische, Roma, syrische MigrantInnen, aber auch zahlreiche, meist illegalisierte MigrantInnen aus verschiedenen Ländern Afrikas. Dazu zeigt sich ein vielfältiges Bild an religiösen Gruppen: Sunniten, Christen, Aleviten u.a.. MindestlöhnerInnen, StraßenverkäuferInnen aus dem nahe gelegenen Taksim, Transvestiten und Prostituierte, Straßenkinder, die Reihe der Beschreibungen der Menschen in Tarlabaşı ist lang. Die Einwanderung in die Millionenstadt Istanbul ist noch lange nicht zu Ende, und die politische und ökonomische Situation des Landes bringt viele Menschen dazu sich in Tarlabaşı niederzulassen.
Der Treffpunkt
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Das TTM (Tarlabaşı Toplum Merkezi) ist ein soziales Zentrum in Tarlabaşı. Es wurde gegründet, um die BewohnerInnen mit Migrationshintergrund bei dem Integrationsprozess in eine Großstadt wie Istanbul und bei den mit der Migration einhergehenden Schwierigkeiten unterstützend zu begleiten. Gegründet wurde das Zentrum als ein Projekt der Bilgi-Universität in Istanbul und bekam zeitweilige finanzielle Unterstützung aus EU-Geldern.
Im Zentrum wird vor allem mit Frauen und Kindern gearbeitet, die von Migration und großer Armut betroffen sind. Ein Ansatz des Zentrums ist es, die Betroffenen zu unterstützen, sich selbst entwickeln zu können. Ein wichtiger Teil der Arbeit ist hierbei das Kunstatelier.
Im Atelier wird seit 2006 künstlerisch unter Anleitung von Ulaş Cibuk. gearbeitet. Ulaş hat selber bildende Kunst und Pädagogik in Diyarbakır studiert und ist derzeit Student an der Beykent- Universität in Istanbul.
In diesem Rahmen sind auch die „Fotografien der Kinder in Tarlabaşı“ entstanden.
„Tarlabaşı´nda Yaşam“ - „Mein Leben in Tarlabaşı"
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Die Entstehung der Fotografien oder wie alles anfing…
Erstmalig wurden die Bilder in Istanbul ausgestellt. Hierzu schreibt Ulaş Çibuk:
„Mit Wegwerf- Kameras und kurzer Einführung in das Fotografieren ausgestattet, zogen die Kinder Anfang des Sommers 2007 los. Als Arbeitsthema galt „Tarlabaşı´nda Yaşam“- „Mein Leben in Tarlabaşı“. Das Thema sollte den Kindern als Anhaltspunkt dienen, ihren Lebensraum, von der häuslichen Umgebung und Spielorten bis zur Schule, durch das Objektiv der Kamera hindurch zu betrachten und festzuhalten.
Mit großer Vorfreude und Spannung erwarteten wir nach getaner Arbeit die ersten Abzüge der entstandenen Fotografien. Ein Jahr sollte es schließlich dauern, bis die nötige finanzielle Unterstützung gefunden war, die Entwicklung der Fotos in die Tat umzusetzen.
Als wir die Abzüge in den Händen hielten, war den Kindern und mir sehr schnell klar, dass es uns allen ein großes Bedürfnis ist, mit diesen Fotografien eine Ausstellung zu gestalten. Eine Auswahl aus den über eintausend Fotografien zu finden war nicht einfach. Schließlich einigten wir uns auf eine Auswahl von 45 Bildern.
Als Erwachsener sagt man so oft „Wäre ich doch bloß wieder ein Kind“, - ein Beweis für diese innere Sehnsucht sind jene Bilder. Dieser Gedanke kam mir, als ich sah, mit welcher Ruhe und welcher Selbstsicherheit die Kinder sich in ihrer Arbeit verstanden.
Wie ein Poet mit dem Stift zu Schreiben versteht, so scheinen die Kinder mit der Kamera es zu verstehen, ihre Umgebung einzufangen, zu Papier zu bringen. So entstanden Bilder voll Kraft und Humor, andere wiederum nachdenklich stimmend und ernst.“
Die KünstlerInnen
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„Ich habe diese Fotos im Jahr 2007 gemacht. Man gab uns [damals] spezielle Fotokameras. Mit diesen Kameras haben wir alles was schön war, was uns auffiel fotografiert. Mir kam dann eine Idee und das habe ich dann auch gemacht. Die Idee sollte eine Sache sein, die uns, also jedem auffallen könnte- so eine Idee kam mir dann [auch]. Von unserem hinteren Balkon kann man ein niedergebranntes Haus sehen und dieses Haus habe ich fotografiert. Jetzt wird dieses Foto an einem besonderen Ort ausgestellt. Und jetzt bin ich glücklich und [denke] gut, dass ich das Foto gemacht habe“. [T.G]
„Als ich die Fotos machte, wollte ich das meine Freunde Taso-chip spielen und sie konnten mir diesen Wunsch nicht abschlagen, und ich habe während sie spielten Fotos von ihnen gemacht die dann ausgestellt wurden. Dass die Fotos ausgestellt wurden, hat mich sehr gefreut. Als meine Freunde das hörten, haben auch sie sich sehr gefreut.“ [E.G.]
„Als ich das Foto machte, dachte ich es würde schön werden, aber es wurde nicht schon, da auf dem Boden Müll liegt. Auf dem Foto ist neben unserem Haus ein Trödler [zu sehen], und der Sohn unseres Nachbars. Auch die Tochter der Nachbarn meiner Mutter sieht man. Es ist schön, dass [die Fotografien] ausgestellt wurden.“ [M.A.]
Die Ausstellung in Deutschland
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Das Projekt „Fotografien der Kinder in Tarlabaşı“ als ein Teil der kreativen Arbeit des Ateliers wird nun von Ulaş Cibuk nach Deutschland begleitet. Ausstellungsorte sind Berlin und Münster.
Die 45 Fotografien sollen zum einen den Kindern und damit den KünstlerInnen die Möglichkeit geben, „ihr“ Tarlabaşı zu zeigen. Bilder, die sicher anders sind, als die der FotografInnen und JournalistInnen, die Tarlabaşı in die Schlagzeilen bringen. Zum anderen bieten sie für Kinder und Erwachsene hier in Deutschland Einblicke in den Lebensalltag und zeigen die Blickwinkel der Kinder. Ähnlichkeiten und Unterschiede werden sich auftun. Wir freuen uns auf ein gemeinsames Erleben der eindrücklichen Bilder und sind gespannt auf anregende Diskussionen.
Ganz besonderes danken möchten wir den Künstlern selber und denen die es ermöglicht haben, die Ausstellung in Deutschland zu platzieren.
Tarlabaşı heute
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In direkter Nachbarschaft des modernen Stadtzentrums Beyoğlu gelegen ist Tarlabaşı ein „Schandfleck auf der weißen Weste“ der Metropole am Bosporus. Die BewohnerInnen leben in dauerhafter materieller, sozialer, gesundheitlicher und kultureller Unterversorgung. Kriminalität grassiert. Das Viertel steht unter ständiger Polizeiüberwachung.
Die Reaktion der Stadtverwaltung ist ein Programm zur Stadtteilerneuerung, das „Tarlabaşı Yenileniyor Projesi“. Kritiker meinen aber, dass das Programm weniger die Lebensbedingungen der jetzigen BewohnerInnen verbessern, als diese vielmehr aus dem Stadtzentrum verdrängen wird. So wird Platz geschaffen für neue, wohlhabendere Bewohnerschichten und der Schandfleck
Tarlabaşı scheinbar getilgt.
Die Brücke nach Berlin
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Zur Diskussion um Gentrifizierungsprozesse in Berlin kann das Beispiel Tarlabaşı einiges beitragen. Zum einen verdeutlicht es, dass Gentrifizierung kein Problem allein der reichen, westlichen Länder ist, sondern gerade in stärker klassendifferenzierten Gesellschaften eine noch viel größere Gefahr für den sozialen Zusammenhalt darstellt. Es zeigt aber auch, wie das Extrem einer Stadterneuerungs-politik aussieht, die wesentlich auf Ausgrenzung derjenigen beruht, die nicht die materiellen Ressourcen besitzen, dem Tempo der Modernisierung Schritt zu halten. Ebenso kann es uns als Negativfolie dienen, um die Entwicklungen in unserer Nachbarschaft zu bewerten.
Wie inklusiv gestalten wir die Entwicklung unserer Stadt?
Ist Fortschritt nur für die möglich, die es sich leisten können?
Wie könnte eine Idee der inklusiven Stadtentwicklung aussehen, die alle BewohnerInnen, unabhängig ihres sozialen Status, einschließt?
Wir freuen uns auf Euren und Ihren Besuch.
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